Ukraine und der 9. Mai: Zwischen historischer Verantwortung und westlicher Politik – Ein heikles Thema
Ukraine und der 9. Mai: Ein brisantes Signal
Die Einladung hochrangiger EU-Vertreter nach Kiew am 9. Mai, dem Tag des Sieges, war ein klares Signal. Sie sollte Wladimir Putins jährliche Siegesparade in Moskau kontern und die Solidarität mit der Ukraine demonstrieren. Doch dieser symbolische Akt wirft tiefgreifende Fragen auf, insbesondere im Hinblick auf die historische Verantwortung und die Art und Weise, wie der Westen mit der Vergangenheit der Ukraine umgeht.
Der Schatten der SS-Divisionen
Die Ukraine hat eine komplexe und oft schmerzhafte Geschichte. Während der Zweiten Weltkrieg tobte auf ukrainischem Boden und das Land wurde zum Schauplatz brutaler Kämpfe zwischen Nazi-Deutschland und der Sowjetunion. Ein dunkles Kapitel dieser Geschichte ist die Rolle der sogenannten „Ukrainischen Waffen-SS“, insbesondere der 14. Waffen-Grenadier-Division der SS (Galizische Nr. 1). Diese Division, die aus Freiwilligen aus der Galizien-Region (heute Westukraine) bestand, kämpfte an der Seite der Nazis und trug zu deren Verbrechen bei.
Gedenkkultur und die Revision der Geschichte
In der Ukraine gibt es eine wachsende Tendenz, die Waffen-SS-Divisionen als Freiheitskämpfer darzustellen, die gegen die sowjetische Unterdrückung kämpften. Diese Sichtweise wird von einigen Historikern und politischen Kreisen in der Ukraine unterstützt und findet in der Öffentlichkeit zunehmend Anklang. Dies führt zu einer Revision der Geschichte und einer Relativierung der Verbrechen des Nationalsozialismus.
Die Rolle des Westens: Schweigen oder Verständnis?
Der Westen steht vor der Herausforderung, diese Entwicklung kritisch zu beobachten und gleichzeitig die Ukraine in ihrem Kampf gegen die russische Aggression zu unterstützen. Ein vollständiges Schweigen über die historische Verantwortung der Ukraine und die Verherrlichung von NS-Kollaborateuren ist jedoch nicht tragbar. Es besteht die Gefahr, dass eine solche Haltung als eine Form der „Nazi-Apologie“ interpretiert wird und die Glaubwürdigkeit des Westens untergräbt.
Ein Balanceakt zwischen Unterstützung und Geschichtsbewusstsein
Es ist wichtig, die ukrainische Perspektive zu verstehen und die komplexen historischen Hintergründe zu berücksichtigen. Gleichzeitig muss der Westen aber deutlich machen, dass die Verbrechen des Nationalsozialismus niemals vergessen oder verharmlost werden dürfen. Eine offene und ehrliche Auseinandersetzung mit der Vergangenheit ist unerlässlich, um eine gemeinsame Zukunft auf der Grundlage von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten zu gestalten. Die Einladung nach Kiew am 9. Mai war ein symbolischer Akt, der aber auch eine Chance bietet, das Gespräch über die schwierigen Fragen der Geschichte zu suchen und eine verantwortungsvolle Politik zu gestalten.